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Artikel für das Jahrbuch 2006 – Kreis Trier-Saarburg

 

Molitorsmühle am Föhrenbach - Schweich

175 Jahre Familiengeschichte – 175 Jahre Mühlentradition

 

von Gisela Adams

 

„Es war einmal“ – so fangen viele Märchen an. „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ – so beginnt ein bekanntes Kinderlied und so könnte auch die Geschichte der Molitorsmühle am Föhrenbach in Schweich beginnen, die in diesem Jahr auf 175 Jahre Familiengeschichte und damit auch auf 175 Jahre Mühlentradition zurückblicken kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gleicht die Geschichte der Molitorsmühle einem Märchen? Oder war es dort immer so wie in der viel besungenen Mühlenromantik? Mühlen finden nicht nur in Märchen und Liedern ihren Platz, sondern nehmen auch in der Phantasie von unzähligen Autoren, Dichtern und Denkern großen Raum ein.

 

So fängt Otfried Preußler in seinem Roman „Krabat“ ein, was uns auch heute noch, jeden der eine Mühle betritt, gefangen hält. - Er beschreibt in seinem ungemein packenden Roman die Erlebnisse des 14-jährigen Waisenjungen Krabat, der trotz aller Warnungen als Lehrling in einer geheimnisumwitterten Mühle seine Lehrzeit beginnt und lockt den Leser in eine rätselhafte, magische Welt.

 

Es geht uns hier nicht nur darum, etwas von unseren Vorfahren zu erzählen, sondern den Leser neugierig zu machen auf unsere Familien- und Mühlengeschichte und all das, was je besungen und ge- bzw. beschrieben wurde. Der Besucher soll sich ein Bild machen vom Freud und Leid, von den Sorgen und Nöten unserer Vorfahren und dem Leben in der Mühle und vom Alltag einer Müllerfamilie.

 

Unsere Mühlengeschichte beginnt bereits im Jahre 1824, als die Mühle am Ortsrand von Schweich ursprünglich als Öl-, Lohe- und Schleifmühle errichtet wurde. Erst 1830 erhielt diese den heutigen Namen „Molitorsmühle“, als sie von Johann Molitor (1791-1870) erworben wurde, der von der Büchelsmühle bei Rodt stammte.

 

Da in dieser Zeit die Mahlgänge eingebaut wurden, begann erst jetzt die Verarbeitung von Getreide zu Mehl. Jeder kann sich nun gut vorstellen, wie es „Max und Moritz“ ergangen ist, als die beiden nach den Vorstellungen von Wilhelm Busch (1832 – 1908) ein jähes Ende fanden.

 

„Rickeracke geht die Mühle mit Geknacke …“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als der Müllersohn und Heimatdichter Stefan Andres 1906 geboren wurde, war die Mühle schon längst im Besitz von Johann Molitor jun. (1840 – 1913). Später als Stefan Andres den Roman „Der Knabe im Brunnen“ verfasste, in der er seine Kindheit und seine elterliche Mühle im Dhrontal beschrieb, war die Molitorsmühle am Föhrenbach schon an unseren Großvater Nicolaus Molitor (1875 – 1938) übergegangen.

 

„Die Mühle“ – Auszug aus „Der Knabe im Brunnen“ (1)

 

„Bei Tag und Nacht war im ganzen Hause vom Keller bis zum Speicher die klappernde Stimme der Mühle zu hören… Manchmal war die Mühle krank. Dann nahm Vater den Trichter ab, zog der Mühle den hölzernen Rock aus, und ein langer Eisenkerl, so dürr wie ein Weberknecht, der immer steif neben der Mühle stand, beugte sich über die runden Steine. Mit zwei seiner eisernen Spinnenarme packte er den oberen Stein an den Seiten und hob ihn hoch, ohne zu keuchen, ohne ‚Hauruck’ – ohne alles, ganz leise. Und Vater drehte den Stein herum, bis die untere Seite nach oben kam, und der eiserne Weberknecht ließ den Mühlstein auf den unteren herabsinken, ganz sacht, als ob er’s nur zum Spiel machte. Alsdann nahm der Vater seinen Schärfhammer, setzte eine Brille auf … und legte auf den Stein einen Sack. Er setzte sich darauf und begann mit dem geschärften Hammer auf den Stein zu schlagen. ‚Pick-pick-pick’ machte es, die Funken stoben, winzige, helle Steinchen flogen umher.

 

Wenn die Mühle wieder heil und gesund war und der hölzerne Hahn wieder tief gebückt in den Trichter guckte, als wollte er in die Körnerfülle hineinpicken, kletterte ich das Treppchen hinauf, lehnte meine Arme auf den Rand des Trichters, legte das Kinn auf die Hände und schaute zu. Ich vergaß, dass ich in einen Mühltrichter blickte und dass diese kleinen Körperchen Korn waren. Ich sah nur eine gelbe Landschaft, darin in der Mitte ein goldener Berg lag. Der Berg versank langsam …“

 

Unser Großvater Nicolaus Molitor starb 1938. Von diesem Jahr an führte unsere Großmutter Anna Molitor gemeinsam mit unserer Mutter, der damals jüngsten, 19-jährigen Tochter Hedwig, die zwischenzeitlich auch das Müllerhandwerk erlernt hatte, die Mühle fort. - Es war sicherlich kein leichtes Unterfangen für zwei Frauen, sich in dieser Männerdomäne durchzusetzen. Das Alleinmanagement der Frauen sollte noch bis nach dem Krieg andauern.

 

Erinnerungen eines französischen Kriegsgefangenen (2)

auf der Molitorsmühle vom 14. Juli 1940 bis 12. Juni 1941

 

„Als wir im Hof der Mühle angekommen waren, wartete ich einen Augenblick; dann gab Josef (ein Gehilfe) mir zu verstehen, ich solle die Treppe hochsteigen, um in die Küche zu gelangen. Frau Molitor empfing mich sehr gut, lächelnd und mit entspanntem Gesichtsausdruck. Ich war eher ängstlich, schüchtern, ein bisschen beunruhigt. Sie sprach zu mir auf Deutsch, was ich natürlich nicht verstand, gab mir ein Zeichen, mich an den Tisch zu setzen, schnitt mir eine große Scheibe Brot ab, dann eine zweite und stellte mir einen Teller mit Butter, Marmelade und eine große Tasse Milchkaffee hin…

 

Danach führte Josef mich durch die Mühle, den Kuhstall, den Schweine- und dann den Pferdestall. Ich dachte dabei, dass dies alles mehr oder weniger Teil meiner täglichen Arbeit sein würde. Da es schon spät am Nachmittag war, brachte Josef mich zum Kommando zurück…

 

Bei meiner Ankunft am nächsten Morgen sah ich einen mit Mehlsäcken beladenen Wagen. Josef gab mir zu verstehen, dass ich auf den Wagen steigen solle, und mit dem Onkel fuhren wir zu dritt los, um Mehl zu Bauern in drei oder vier Kilometern Entfernung zu liefern. Dort holten wir ein oder zwei Säcke Weizen oder Roggen ab…

 

Außer den Lieferungen kümmerte ich mich um die Kühe, manchmal um die Pferde und die Schweine… Außerdem arbeitete ich mit Josef und Hedwig in der Mühle. Mit Josef wogen wir das Mehl ab, um es in Säcke zu füllen, die zu den entsprechenden Bauernfamilien gehörten …

Im Frühjahr, bei schönem Wetter, machten wir Heu … Anfang Herbst fand die Weizenernte statt, dann folgte die Kartoffelernte …

Dann kamen die Weihnachtstage mit ihrer besonderen, angenehmen Stimmung zum Fest der Geburt des Jesuskindes … Zwei Tage zuvor hatte ich den ersten Brief von meiner Familie erhalten. Sechs Monate lang hatte ich keine Nachricht von ihnen bekommen. Dann kam der Winter mit seiner weißen Schneedecke … Eines Tages blieb der Wagen bei einer Lieferung in dem nördlichen Teil von Schweich im Schnee stecken. Die Pferde konnten ihn nicht herausziehen, da er schwer mit Säcken beladen war. Der Onkel zog am Zügel der Pferde, während Josef und ich jeder an einem Rad schoben und die Pferde sich ins Zeug legten. Als ich dabei einmal zu heftig an einer Radspeiche drückte, spürte ich einen Riss am unteren Ende der Wirbelsäule… und spürte diesen Schmerz den ganzen Winter lang… und als später, am Frühlingsanfang, eine Lieferung Weizensäcke ankam und ich drei oder vier davon getragen hatte, tat mir der Wirbel sehr weh. Ich wollte dies nun erklären. Da bewies Hedwig mir, dass sie die Säcke tragen konnte, und das war wie eine kalte Dusche für mich. Sie war kein Mädchen, mit dem man viel scherzen konnte; sie war eher ernst, fleißig und emsig, und die Arbeit machte ihr keine Angst. Ich wollte mich nicht beklagen, denn ich hatte Angst, an eine andere Stelle geschickt zu werden, wo es mir doch so gut bei ihnen in der Mühle gefiel. Ich erzähle das so, wie ich es noch heute denke…

 

Am 12. Juni 1941, an Fronleichnam, kam der Herr Pastor von Schweich zu der Familie Molitor zum Nachmittagskaffee. Im Vertrauen auf Gott habe ich mich davongemacht, und mit viel Glück gelangte ich in die freie Zone Frankreichs. Ich hatte dabei aber Schuldgefühle, denn ich hatte Frau Molitor versprochen, nicht zu fliehen; sie hatte mir nämlich erklärt, dass es gefährlich für mich sein könnte. - Trotz der langen Zeit habe ich ihre gute Familie nicht vergessen. Ich bedaure es, nicht früher zu ihnen gekommen zu sein, um die wieder zu sehen, die nun schon verstorben sind.“

 

1946 heiratete Hedwig Molitor den Müllermeister Anton Branz, aus dem Kreis Biberach (Baden-Württemberg) und fortan betrieben beide die Mühle.

 

„Das Wandern ist des Müllers Lust“

 

Unser Vater Anton Branz war mit Leib und Seele Müller und hatte schon einige berufliche Erfahrung gesammelt, bevor er nach Schweich kam.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach seiner 3-jährigen Lehre, war er als Geselle auf Wanderschaft gegangen und hatte 1938 in Nürnberg die Meisterprüfung abgelegt. Im Landkreis Trier-Saarburg machte er sich mit seinem Engagement in der Müllerinnung verdient und wurde sogar deren Obermeister. – Er war immer am Puls der Zeit, konnte aber leider nicht verhindern, dass auch das Betreiben der Familienmühle in Zeiten von wachsender Konkurrenz durch Großmühlen unrentabel wurde. Um sich vor weiteren Verlusten zu schützen, nahmen Hedwig und Anton Branz die Möglichkeit der Betriebsaufgabe im Rahmen des Mühlen-Stilllegungsgesetzes an und gaben die Mühle 1972 auf. Sie sollte anschließend für über 20 Jahre in einen Dornröschenschlaf fallen. Nach dem Tod der Mutter Hedwig Branz geb. Molitor im Jahre 1984 und dem Tod des Vaters Anton Branz 1992, ging die Mühle in den Besitz der Kinder über. Zwei Jahre später wurde die Mühle lt. Denkmaltopographie zum baulichen und technischen Denkmal erklärt. Seit 1997 ist die Molitorsmühle aufgrund der Initiative der noch 7 von einst 10 Geschwistern wieder für Besucher, Besichtigungen und Führungen geöffnet. – Die Molitorsmühle am Föhrenbach ist die einzige von einst sieben Mühlen in Schweich, die mit fast vollständiger Einrichtung, übrig geblieben ist.

 

Da ist er noch, der Geruch von gemahlenem Korn, der feine Mehlstaub auf allen Geräten. Selbst das alte Rechnungsbuch liegt weiterhin aufgeschlagen auf einem Pult, so, als wäre der Müller nur kurz in seine Mittagspause verschwunden: „Kloster vom Guten Hirten, Trier – 200 kg Weizenmehl Type 550 - 130,- DM – Schweich, den 17.12.1954“ steht dort geschrieben. Auch wenn die Technik und Mechanik vom Mahlgang bis zu den Walzenstühlen erklärt werden, bleibt trotzdem ein Moment der Ehrfurcht und des Staunens, wenn die Mühle wieder belebt wird – dann fängt es am Föhrenbach dann doch noch an zu klappern: Da rattert und wackelt alles, vom ersten bis zum vierten Stockwerk.

Und deshalb lohnt ein Besuch der alten Wassermühle, die ein Stück Handwerks- und Kulturgeschichte erzählt und zeigt, was für Oma und Opa noch Alltag war.

 

Wasser auf die Mühl’ gekehrt wird von Ostern bis Ende Oktober samstags, sonn- und feiertags von 14 – 18 Uhr und außerdem jederzeit ganzjährig nach Vereinbarung.

Informationen gibt es bei Gisela Adams (Tel.: 06502-95431) und Hildegard Haubrich (Tel.: 06502-1336) und unter www.molitorsmuehle.de.

 

Anmerkungen: 1. „Der Knabe im Brunnen“ von Stefan Andres, Seite 15 – 17, Neuausgabe Februar 1986, R. Piper u. Co. Verlag, München 1953,

2. Brief „Erinnerungen eines französischen Kriegsgefangenen“ auf der Molitorsmühle, 1989, Julien Metivier, Le Mans